Der Aufstieg der Menschheit von Charles Eisenstein

Über die große Krise unserer Zivilisation und die Geburt eines neuen Zeitalters

Du befindest dich hier: Start » Buch lesen » Volltext

Inhaltsverzeichnis:


Mathematik und Maß

Die früheste Form der Mathematik war ohne Zweifel das Zählen; d.h. die Erfindung der Zahlen. Wie die Nomen sind Zahlen eine Abstraktion der Wirklichkeit, eine Reduktion der unendlichen Variationen der Natur zu einer Sammlung von standardisierten Dingen. Zu sagen, da wären fünf von irgendwas, setzt voraus, es könnten möglicherweise mehrere von einem gegeben Objekt existieren. Damit verwähren wir jedem Wesen im Universum seine Besonderheit. Wenn deine Familie am Abendbrottisch sitzt, musst du sie nicht zählen, um sicher zu sein, dass alle da sind. In einer Gesellschaft, in der jede Person als Individuum bekannt ist und wo jedes Ding in seiner unverstellten Einzigartigkeit wahrgenommen wird, wären Zahlen eine Absurdität. Man könnte sich einen steinzeitlichen Philosophen vorstellen, der protestiert: „Wie kannst du sagen, dies wären drei? Sie sind einer und einer und einer, ein jeder einen einzigartigen Platz im Universum innehabend.“

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass zahlreiche Jäger-und-Sammler Gesellschaften in entlegenden Weltgegenden entdeckt wurden, die keine Wörter für Zahlen haben außer „einer“, „zwei“ und „viele“35. Der moderne Geist interpretiert dies typischerweise als Beleg für deren kindliche Einfachheit oder deren Mangel an geistiger Entwicklung. Aber vielleicht haben sie einfach keine Verwendung dafür. Sie leben in einer konkreten Welt. Das heißt nicht, sie könnten nicht zwischen fünf und sechs unterscheiden – nachgewiesenermaßen können sogar Krähen diese Aufgabe bewältigen. Es heißt einfach, dass diese Anzahlen nicht abstrahiert wurden.

Das Zählen ist eine der primitivsten Formen der Messung, was nichts anderes ist, als die Umwandlung von Qualität in Quantität, die Umwandlung des spezifischen und einzigartigen in das standardisierte und allgemeine. Wenn wir Dinge zählen, vollziehen wir implizit eine Abstraktion, bei der wir eine Vielheit einzigartiger Objekte in ebensoviele gleichförmige Objekte überführen. Wir erkennen heute, dass wir nicht Äpfel und Birnen zusammenzählen können. In einer früheren Welt, die die Einzigartigkeit aller Dinge und Augenblicke anerkannte, erkannten wir ebenfalls, dass man nicht einmal Äpfel und Äpfel zusammenzählen kann.

Zahlen entfernen mehr noch als Wörter die Objekte aus ihrem kreuzbezogenen Geflecht und legen nahe, die Objekte seien abgetrennte, uniforme Dinge. Als die symbolisch referenzielle Welt uns immer weiter von der wirklichen, unmittelbaren Welt trennte, unternahmen wir schließlich den letzten Schritt und schrieben den Zahlen einen Seinsstatus zu, der realer war als die Dinge, von denen sie ursprünglich abstrahiert wurden. Pythagoras und nach ihm Plato kehrten die ursprüngliche Ordnung der Abstraktion um, indem sie den Abstraktionen selbst eine höhere Wirklichkeit zuschrieben. Aritstoteles beschreibt die Pythagoreische Sicht wie folgt: „Sie behaupteten, die Zahlelemente seien die Elemente aller Dinge, und der gesamte Himmel sei eine musikalische Harmonik und eine Zahl36.“ Seine Kritik betont die Gefahr bei der Fundierung des Wissens auf der Manipulation von Abstraktionen:

Und alle Eigenschaften der Zahlen und Skalen, von denen sie zeigen konnten, dass sie mit den Attributen und Teilen und der gesamten Beschaffenheit des Himmels übereinstimmten, sammelten sie und passten sie in ihr Schema ein; und wenn es irgendwo eine Lücke gab, machten sie bereitwillig Zusätze, um ihre Theorie schlüssig zu machen, zum Beispiel, da die Zahl zehn als perfekt angesehen ist, dass die Planeten, die sich durch den Himmel bewegen, zehn sind, aber da es nur neun sichtbare Planeten gibt, erfanden sie einen zehnten.

Schon in sechsten vorchristlichen Jahrhundert sammelten Wissenschaftler ihre Daten selektiv und ließen andere Daten außer acht, um ihre Annahmen zu belegen!

Erstaunlicherweise begab sich Pythagoras Erhöhung der Abstraktion offensichtlich bevor die Griechen überhaupt begonnen hatten, Zahlensymbole zu verwenden37. Seine Mathematik gründete sich in reiner Form auf Geometrie und Proportion und war damit noch fassbar verbunden mit konkreten Steinchen und Linien im Staub. Jeder neue Fortschritt in der Mathematik trieb die Abstraktion weiter und machte unsere Art des Denkens symbolischer und entfernte sie weiter von der Wirklichkeit, die sie symbolisierte. Das Konzept des Zahlensymbols war einer dieser Fortschritte, die Erfindung der Dezimalzählung und der Null ein weiterer. Mit der Null stand zum ersten mal etwas für nichts – eine treffende Feststellung der generalisierten Trennung zwischen unseren Symbolen und der Wirklichkeit, die sie zu repräsentieren behaupten.

Da Zahlen die Vielfalt der konkreten Realität reduziert, ist es kein Wunder, dass sich vernachlässigte Variablen einschleichen, um unsere Versuche, die Welt durch die Ausweitung ihrer Messung zu kontrollieren, zu hintertreiben. Seit der Zeit von Galileo war das Ziel und der modus operandi der Wissenschaft im Wesentlichen, die gesamte Welt der beobachtbaren Phänomene in Zahlen zu konvertieren. Die Messung wandelt Dinge in Zahlen um; dann verwandeln die Gleichungen der Wissenschaft diese Zahlen in wieder andere Zahlen und errichten so einen aufstrebenden Turm der Abstraktion. Die Annahme scheint zu sein, dass uns, wenn wir eines Tages alles messen können, perfektes Verständnis und damit perfekte Kontrolle zuteil wird. Und tatsächlich liefern uns heute die harten Wissenschaften und selbst die Sozialwissenschaften „Daten“, d.h. Zahlen, und behaupten, damit eben jedes beobachtbare Phänomen zu fassen. Doch wie das gescheiterte Versprechen des „Heißa, die Zukunft!“ zeigt, entwischt uns die perfekte Kontrolle immer wieder, so sehr wir auch die Quantifizierungen der Welt vorantreiben mögen. Wir scheinen zu vergessen, dass die Mathematik und damit die Wissenschaft und Technologie, die auf ihrem Gerüst errichtet sind, aufgrund ihrer Natur als Abstraktion etwas auslässt. Bis jetzt war unsere Antwort die der technologischen Lösung: die Ausweitung der Messung, um auch die ausgelassenen Dinge einzuschließen – die Fehler beheben mit einem Mehr vom Selben. Auf einer konzeptuellen Ebene fuhr dieses Programm mit der Entwicklung der Quantenmechanik und der Chaostheorie im zwanzigsten Jahrhundert gegen die Wand. Auf einer praktischen Ebene haben wir es bisher nicht geschafft, die Lektion aus dem fortgesetzten Scheitern des Programms, die Wirklichkeit durch ihre Reduktion zu Zahlen besser zu handhaben, einzusehen. Stattdessen rufen wir nach mehr Zahlen, mehr Daten.

Die Mathematik und die Messung sind objektiv in dem Sinne, dass sie die Besonderheit, die der Interaktion zwischen Beobachter und Beobachtetem innewohnt, von Objekten abstreifen. Sie sind vereinbar mit abgetrennt existierenden Objekten, die „da draußen“ existieren, außerhalb unserer Subjektivität, womit sie ein Prinzip in Abrede stellen, das der altertümliche Mystizismus und die moderne Physik gemeinsam haben, nämlich dass „Existenz“ ein zweiseitiges Prädikat ist, eine Interaktion. Heute ist das Konzept der Objektivität zentraler Bestandteil unserer Weltsicht, die uns selbst als getrennte, unterschiedene Individuen einschließt. Sie liegt auch der klassischen Physik und der wissenschaftlichen Methode zugrunde, und sie bestimmt im wesentlichen das, was wir als „wissenschaftlich“ verstehen. Um zu sehen, wie tief sie unsere Wahrnehmungen beeinflusst, versuche einmal, dir etwas als einfach „existierend“ vorzustellen. Ist dein Bild eines, von etwas für sich allein schwebendes? Kein Wunder, dass wir uns selbst so alleine fühlen. Zu sein, ist getrennt zu sein. In diesem Buch rufe ich zur Revolution auf, die tiefst mögliche Revolution – die Ersetzung unseres Verständnisses über das Sein mit einer neuen Gleichung: Sein ist gleich Beziehung.

Wie mit der Sprache hat die Abstraktion der Wirklichkeit, die der Zahl innewohnt, furchterregende Konsequenzen. Wie Derrick Jensen sagt: „Es ist einfacher, eine Zahl zu töten, als ein Individuum, ob wir nun über so und soviele Tonnen Fisch sprechen, soviele Festmeter Holz oder soviele Waggons Untermenschen38.“ Die Logik und die Prozesse der Maschine kann als Input alles quantifizierbare und messbare gleichermaßen akzeptieren. Der durch die Reduktion der Wirklichkeit zu Zahlen ausgelassene Teil findet keinen Eingang in die Berechnungen, selbst wenn dieser Teil jemandes Heim, jemandes Lebensgrundlage oder jemandes Leben ist. Daher der Ausspruch: „Ich bin keine Opferzahl, ich bin ein Mensch.“ Ich denke nicht, dass die Grausamkeit der heutigen Welt ohne die trennenden Effekte von Sprache und Messung existieren könnte. Nur wenige Menschen könnten sich selbst dazu bringen, einem Säugling Leid anzutun, doch abgeschirmt durch Statistiken und Daten des politischen Handelns tun unsere Führer genau das, auf einer Massenebene, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen.

In der extremsten Anwendung vereinen sich Zahl und Sprache in dem äußersten Ausdruck der Objektivierung und Abstraktion mit der Redeweise „einer“, wo eigentlich „Ich“ gemeint ist. Darin überträgt sich die Abstreifung des Besonderen sogar auf das Selbst, welches generalisiert, depersonalisiert und austauschbar gemacht wird – seine Individualität wird verneint. Der Generalitätsanspruch des Gebrauchs des „Einer“ verwandelt alle anderen Menschen in eine Ansammlung ebenfalls identischer „Einer“, wie so viele andere austauschbare, uniforme Teile einer enormen Weltmaschine.

Von Anfang an legte das Konzept der Zahl eine Objektivierung des Universums und eine Unterordnung der Welt unter menschliche Manipulation nahe. Bezeichnenderweise hat das Wort „number“ eine Stammbedeutung von Greifen, Nehmen und Beschlagnahmen39, so wie das Wort „digit“ [Dezimale, Anm. d. Übers.] im Englischen einen Finger bezeichnet. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass das Zahlkonzept erst entstand, als die anderen Kräfte – Technologie, Sprache, Arbeitsteilung und zuvorderst die Landwirtschaft – die Welt in Objekte der Manipulation verwandelten. Die Zahl und die Handelsware sind wechselseitig hoch abhängige Konzepte, die zur Ablösung des Teilens durch Tausch, Handel und Geld führten. „Dieser Ochse“ wurde zu „einem Ochsen“; die Zahl wurde von spezifischen Objekten abstrahiert. „Die Zahl und die Handelsware waren nun für immer herausgestellt, und in der Folge konnten, was am bedeutsamsten war, Zahlen jetzt auf alles in der Welt zur Quantifizierung angewendet werden. Wir waren von nun an in der Lage, von der Welt als von etwas zu denken, das, wie Getreide oder Schafe, inventarisiert, kontrolliert und verteilt werden konnte40.“

Die Umwandlung der ganzen Welt in Zahlen, die der Wissenschaft, wie sie ausdrücklich von Galileo, Leibniz und Kant angelegt wurde, zueigen ist, ist untrennbar vom Programm, die Welt unter vollständige Kontrolle zu bringen. Es ist kein Zufall, dass Reformer, kurz nachdem die Wissenschaftler der Aufklärung das Programm ausriefen, die Natur in Zahlen zu fassen, auch die Maßeinheiten zu objektivieren suchten, indem sie die alten Einheiten für Gewicht, Länge und Volumen in neue „rationale“ Einheiten umwandelten. Das metrische System ersetzt die menschliche Skala durch eine Skala, die auf objektiven Eigenschaften des beobachtbaren Universums fußt. Die alte Fahrenheitskala hängt natürlicherweise mit menschlichen Erfahrungen zusammen, denn Null ist etwa so kalt, wie es in unseren Breiten jemals wird und Hundert ist so heiß, wie es jemals wird, wohingegen die Celsiusskala sich aus dem Gefrier- und Siedepunkt des Wassers bei einem gegebenen Druck ergibt. Vergleiche ebenso den Fuß mit dem Meter, der ursprünglich „objektiv“ definiert war als ein Vierzigmillionstel des Erdumfangs und heutzutage im Sinne der Wellenlänge eines bestimmten Lichts41. Das Maß wurde aus seinem ursprünglichen Bezugsrahmen im menschlichen Körper und in der Alltagserfahrung herausgelöst.

Im zurückliegenden Jahrhundert hat sich die Reduktion der Welt zu Zahlen nur noch beschleunigt, vor allem im Computerzeitalter. Die Musik ist ein Paradebeispiel. Während die formale Notation der Musik das Phänomen schon vor längerer Zeit vorbereitete, intensivierte sich die Mathematisierung der Musik mit Bach. Seinetwegen „verlor die individuelle Stimme ihre Unabhängigkeit und der Ton wurde nicht länger als gesungen, sondern als mechanische Konzeption verstanden. Bach, der die Musik als eine Art Mathematik betrieb, beförderte sie von der Phase der vokalen Polyphonie in die Phase der instrumentellen Harmonien, die immer auf einem einzigen, autonomen Ton fußten, der durch ein Instrument fixiert war anstatt durch geringfügig variable menschliche Stimmen42.“ Heute ist durch die Digitalisierung der Musik die Transformation in so und soviele Datenbits abgeschlossen: Musik ist, wie jeder andere „digitale Inhalt“, nichts als eine Serie von Zahlen. Hier finden wir ein gutes Beispiel der Reduktion, die die Quantifizierung mit sich bringt: entgegen dem verbreiteten Glauben ist das standardisierte digitale Audioformat wahrnehmbar verschieden vom Analogen, vor allem in den höheren Frequenzen. Etwas von der ursprünglichen Reichhaltigkeit geht für immer verloren; Musikkenner sprechen manchmal von der „Wärme“ der Schallplatten verglichen mit der „Kälte“ digitaler Tonträger. Die technologische Lösung ist natürlich, die Abtastrate bis zu dem Punkt zu erhöhen, wo der Datenverlust von der menschlichen Wahrnehmung nicht mehr entdeckbar ist. Die Unendlichkeit wird zwar nach wie vor endlich gemacht, das kontinuierliche wird wieder in kleine Schritte unterteilt, aber immerhin, so hofft man, gelingt dieser Anschein der Wirklichkeit „gut genug“.

Digitalisierung wird ebenso auf Bilder angewendet und potentiell auf alles, was der „Analyse“ zugänglich ist. So können die Bewegungen des menschlichen Körpers in eine Menge numerischer Koordinaten im dreidimensionalen Raum umgewandelt werden; der Klang menschlicher Sprache in so und soviele Sinuswellen. Die angenommene Reduzierbarkeit - und man beachte die Natürlichkeit des Wortes „Reduzierbarkeit“ - der Welt zu Zahlen und die Annahme, das entweder nichts Bedeutsames verloren geht oder dass wir niemals bemerken, was verloren geht, wenn nur genug Zahlen verwendet werden, hat die äußerste technologische Trennung von Mensch und Wirklichkeit befeuert, die wir Virtuelle Realität (VR) nennen. VR ist der vorletzte Schritt in der Auswechslung der natürlichen durch eine gemachte Wirklichkeit. Mit der VR wird der getrennte menschliche Bereich vollständig, bis auf einen letzten Schritt. Wenn, wie die Wissenschaft nahelegt, das gesamte Universum zu Zahlen reduzierbar ist, dann sind auch wir reduzierbar; folglich ergeben sich Science-Fiction-Szenarien, in denen wir eines Tages Unsterblichkeit erlangen, indem wir unser Bewusstsein auf einem Computer transferieren, auf dem wir die besten und angenehmsten, künstlichen Erfahrungen in alle Ewigkeit genießen können43. Das Technologische Programm der vollständigen Kontrolle über die Welt, die wir erfahren, wäre erfüllt. Oder so geht zumindest die Fantasie.

Science-Fiction-Autoren wie Neal Stephenson und Vernor Vinge haben Zukünfte beschrieben, in denen Menschen fast vollständig in digitalen Repräsentationen der Wirklichkeit oder in gänzlich konstruierten Wirklichkeiten leben. Solche Szenarien nehmen schon Form an in der individuellen RFID-Etikettierung aller verkauften Produkte, was den Boden dafür bereitet, dass das Internet zu nicht weniger wird, als einer virtuellen Kopie des gesamten Planeten:

Die gegenwärtige IP-Adresse hat ein 32-Bit-Format, womit man jedem lebenden Menschen eine einzigartige Internetadresse zuweisen kann, die den direkten Zugang zu etwa 10 Milliarden Webseiten oder bestimmten Computern regelt. Im Gegensatz dazu wird die IPv6 128 Bits verwenden. Dies erlaubt die virtuelle Markierung jedes Kubikzentimeters auf der Erdoberfläche, vom Meeresboden bis zu den Gebirgsgipfeln, und damit ein Umspannen des Planeten mit einem mehrdimensionalen Datenüberzug. Jedes markierte oder menschengemachte Objekt kann darin enthalten sein, von deiner Armbanduhr über den nächsten Laternenpfahl, Verkaufsautomaten oder Mülleimer – selbst die meisten der weggeworfenen Gegenstände in dem Mülleimer44. Wie aus Benennung und Zählung erahnbar werden wir möglicherweise versuchen, jedes Objekt und jede Person in der Welt in einen Datensatz umzuwandeln.

Ob nun in der Digitalisierung von Musik oder der Quantisierung der Wirklichkeit in der VR, der Irrsinn unseres grimmigen Strebens, eine Wirklichkeit zu erschaffen, die fast so gut ist wie die tatsächliche Wirklichkeit, liegt auf der Hand. Wir unternehmen enorme Anstrengungen, um eine minderwertige Version eines frei erhältlichen Originals herzustellen, ebenso, wie wir fieberhaft versuchen den ursprünglichen Überfluss, in welchem „Arbeit“ noch kein Konzept war, wieder zu erschaffen durch immer noch effizientere arbeitssparende Geräte. Die Minderwertigkeit der erzeugten Wirklichkeit wird deutlich an der steigenden Intensität unserer Simulationen, mit denen wir versuchen, die verlorene Reichhaltigkeit und Intensität der unverstellten Erfahrung zu kompensieren. Es ist egal, mit was für einer Zahlenmenge wir die Wirklichkeit zu beschreiben versuchen, etwas von ihrer Unendlichkeit geht verloren. Stattdessen müssen wir uns mit dem „gut genug“, dem geringeren Leben im Zeitalter der Trennung abfinden. Die Systeme der Repräsentation – Zahl, Sprache, Bild und so weiter – die wir zwischen uns und die Wirklichkeit schalten, sind immer eine Reduktion dessen, was sie zu repräsentieren behaupten. Das Wissenschaftliche Programm einer vollständigen Mathematisierung des Universums ist nur ein weiterer Turm von Babel, der versucht, das Unendliche mit endlichen Mitteln zu erreichen.

35 Levy-Bruhl, Lucien, How natives think, New York: Humanities Press, 1926. S. 181

36 Aristoteles, Metaphysik. Zitiert in J.B. Wilbur und H.J. Allen, The Worlds of the Early Greek Philosophers, S. 86.

37 Wilbur, J.B. und H.J. Allen, The Worlds of the Early Greek Philosophers, S. 87.

38 Jensen, Derrick, A Language Older than Words, Context Books, 2000. S. 41

39 Zerzan, S. 48

40 Burke and Ornstein, S. 45.

41 Die ursprüngliche Definition des Meters wurde aufgegeben, als man bemerkte, dass der Erdumfang nicht absolut und unveränderbar ist. Nun beginnen wir zu vermuten, das gleiche könnte auch für andere physikalische „Konstanten“ des Universums gelten. Dies könnte als weiteres Beispiel für das zum Scheitern verurteilte Streben nach Sicherheit dienen, das in Kapitel III beschrieben wird.

42 Zerzan, p. 57

43 David Deutsch konnte überzeugend die Unmöglichkeit einer perfekten Wirklichkeitssimulation auf herkömmlichen (nicht quantenbasierten) Computern nachweisen; allerdings schleichen sich auf einem Quantencomputer die Unsicherheiten der unkontrollierten Wirklichkeit auf subtile Weise wieder ein.

44 Brin, David, „Three Cheers for the Surveillance Society!“, Salon , 4. August 2004. http://dir.salon.com/story/tech/feature/2004/08/04/mortal_gods/index.html

"Der Aufstieg der Menschheit" in anderen Sprachen:
Chinesisch . Englisch . Finnisch . Französisch . Ungarisch . Rumänisch . Russisch . Serbisch . Spanisch

1998-2011 Charles Eisenstein